Portrait


Esther Klein-Tarolli Pflegefachfrau HF und Kinaesthetics Trainerin.


Mein beruflicher Werdegang


Das Wichtigste gleich vorneweg:
Ich pflege leidenschaftlich gerne und schätze den nahen Umgang mit Menschen - so war ich 30 Jahre am Universitätsspital «Insel» in Bern / Schweiz, meiner geschätzten Heimatstadt, als Pflegende tätig.

Ausserdem:
Mein Jahrgang ist 1952 und ich stamme aus einer 6-köpfigen Arbeiterfamilie.
Mein erster Beruf war Pharmaassistentin.
Ende der 1970er-Jahre machte ich die dreijährige Ausbildung zur Krankenschwester AKP an der traditionsreichen «Krankenpflegeschule Lindenhof» in Bern.
Von 1981 bis 2012 war ich ununterbrochen in der Krankenpflege auf einer akutmedizinischen Abteilung tätig. Dies in einem erfahrenen Pflegeteam, welches mehrere langjährige Mitarbeiterinnen aufwies.

Kinästhetik - der Anfang:
1985 machte ich den allerersten Kurs für «Kinästhetik in der Pflege», damals organisiert von Susanne Schmidt, der Kollegin, welche den entscheidenden Anstoss gab, die Kinästhetik für den Pflegebereich weiterzuentwickeln. Christel Bienstein gehörte auch zu den Kursteilnehmerinnen: Ihrer Unternehmungslust war wesentlich zuzuschreiben, dass die Kinästhetik in der Pflege dann tatsächlich auch Fuss fasste. 1987 bis 1990 absolvierte ich dann die erste TrainerInnen-Ausbildung für die Grundstufe in Zürich.
Noch sehr unsicher darüber, was ich mir zumuten könne, gab ich zusammen mit einer berner Kollegin meine ersten Kinästhetik-Grundkurse und war über das gute Echo sehr erstaunt. Von da an wuchs die Nachfrage nach Kursen ständig an, sodass ich 1995 mein Pflegepensum auf der medizinischen Abteilung auf die Hälfte reduzierte.

Ausbildung zur Kinästhetik-Trainerin:
Jeweilen in der Pionierklasse folgten zwischen 1992 und 2003 die TrainerInnen-Ausbildungen für die Aufbaukurse, die Intensivpflege und schliesslich für das Peer-Tutoring. Durch die Jahre dehnte ich meine Kurstätigkeit als Trainerin auf die neuen Stufen aus, wobei mir ganz wichtig ist, dass ich selber regelmässig in der Spitalpflege tätig war. Meine eigene Pflegetätigkeit gab mir einerseits Gelegenheit, neu Gelerntes und eigene Ideen in der Anwendung zu prüfen und zu verbessern; andrerseits gab sie mir einen sich ständig erneuernden Fundus an Praxiserfahrungen, welchen ich in die Kurse einfliessen lasse - dies wird von den KursteilnehmerInnen aus der Intensivpflege und der Neonatologie bis zur Spitex (ambulante und häusliche Pflege) sehr geschätzt und hält meine Kreativität und Motivation lebendig.

Praxisbegleitung:
Mir wurde sehr bald klar, dass Kinästhetik Grund- und Aufbaukurse zwar von grosser Wichtigkeit zur Vermittlung der Konzepte und von elementaren Selbsterfahrungen sind - doch die Umsetzung der Kinästhetik im harten Pflegealltag, nicht selten unter den misstrauischen Augen von KollegInnen, ist schwierig und braucht kompetente Begleitung. Früh schon half ich deshalb in Bern eine «Interessengruppe Kinästhetik» gründen (monatliche Treffen von KollegInnen mit Grundkenntnissen, 2 Stunden, unter der Leitung von TrainerInnen, Üben von erlebten Praxissituationen) und machte später Praxisbegleitungen für SchülerInnen der Intensivpflege (im Rahmen ihres Curriculums, einen halben Tag am Patienten auf der IP). Dann half ich verschiedene Praxisbegleitungsprojekte auf die Beine zu bringen wie z. B. an der Uni-Kinderklinik und an der Herz+Gefäss-Uniklinik (HGEK) des Inselspitals Bern. Die Broschüre «Wie kommt die Kinästhetik auf der Chirurgie zum Leben» bildet den Tutoringprozess auf der HGEK ab (bei mir erhältlich).

Lagerungsprobleme und Dekubitusprophylaxe:
Einerseits sind wir beim Pflegen sehr viel mit Lagern und Umlagern beschäftigt, andrerseits ist die Kinästhetik ein Konzept zur Entwicklung der Bewegungskompetenzen - die Umsetzung in die Praxis reibt sich an herkömmlichen Vorstellungen genauso wie an herkömmlichen Lagerungshilfsmitteln. Mitte der 1990er-Jahre begann ich auf der Abteilung mit improvisierten Mitteln die Lagerungsweisen zu variieren, um das Förderungspotenzial der Kinästhetik für den Patienten auch beim «Lagern» besser auszuschöpfen. Es kam dann ein anregender Austausch mit der Basalen Stimulation hinzu: Ich liess darauf Prototypen der 220cm  Rollen und der farbigen Anzügen anfertigen und begann damit zu experimentieren. Das war der Anfang der Entwicklung der Rollen und Kissen und von Bewegtes «Lagern».

Weil für meine Konzeption auf dem Markt kaum geeignete Unterstützungsmittel aufzutreiben waren, begann ich die Teile und Anzüge nach meinen Vorgaben selber herstellen zu lassen und bald auch schon zu verkaufen. Inzwischen ist die Nachfrage, zum grössten Teil aufgrund von Mundpropaganda, erfreulich gross. Es gibt heutzutage auch etliche Nachahmungen, welche aber oft, aus meiner Sicht jedenfalls, erhebliche Nachteile und Mängel aufweisen.

1999 brachte ich, zusammen mit meinem Berufskollegen Peter Müller, die gewonnenen Erfahrungen in einem bebilderten Bericht zu Papier. Den Anstoss gab die Ausschreibung des «Pflegepreises der Stadt Bern» (Riva-Stiftung). Wir durften 2002 den zweiten Preis entgegennehmen. Aus dem Bericht ist danach das Schulungsheft «Unterstützung der Bewegung anstelle schematischer Lagerung» entstanden. Dieses ist vergriffen.
2001 wurde ich bei der Ausarbeitung des «Deutschen Expertenstandard Dekubitusprophylaxe in der Pflege» als Expertin beigezogen und konnte aus meiner speziellen Erfahrung heraus einige Anregungen einbringen.

2002 halfen meine KollegInnen auf der Abteilung in einem begeisternden Einsatz mit, mein Schulungs-Video Bewegtes «Lagern» zu drehen.
2004 kam, damals unter kräftiger Mitarbeit von Gisela Textor, der erste Leitfaden Bewegtes «Lagern» zustande, ein kleines Buch mit vielen Bildern. In der Zwischenzeit sind nämlich von erfahrenen KollegInnen in den verschiedensten Bereichen der Krankenpflege interessante Erfahrungen gesammelt worden. Im Austausch mit ihnen habe ich das Konzept weiterentwickelt, die Unterstützungsmittel überarbeitet und das Sortiment ergänzt. Der Leitfaden liegt als 5. Auflage 2012 in vollständig überarbeiteter und erweiterter Form vor.

Inzwischen bin ich in einer Lebensphase angelangt, wo Gedanke an den stufenweisen Ausstieg aus dem Berufsleben allmählich Konturen bekommen. So habe ich mich aus der aktiven Pflege zurückgezogen. Seit 2019 arbeite ich mit der stiftung lebensqualität und deren Tochtergesellschaft Idee Lebensqualität GmbH in Sachen Bewegtes «Lagern» zusammen. Per 01.01.2021 habe ich die Markenrechte von Bewegtes «Lagern»® an die Stiftung übertragen. Ich bin überzeugt, dass sie das Konzept und die Unterstützungsmittel in meinem Sinne weiter tragen und weiterentwickeln. Als Fachliche Leitung von Bewegtes «Lagern» bin noch tätig.

Dass die Entwicklung im Verlaufe der letzten 30 Jahre in Bezug auf die Sache und für mich persönlich so erfreulich verlief, verdankte ich ursprünglich aber ganz wesentlich den verlässlichen ArbeitskollegInnen auf meiner Spitalabteilung. Über viele Jahre halfen sie mit Anregung, Mitarbeit und Motivation, meine Ideen, welche oft auf ihren Ideen aufbauten, zu realisieren und vor allem auch in der Praxis zu prüfen, was wirklich tauglich ist - ich bin ihnen dafür sehr dankbar.